26.4.2023 – 30.5.1401
Täbris – Kandovan – Urmia – Miandoab – Taht-e Suleyman – Ali Sadr – Maranjab Karanwanserei – Kashan – Isfahan – Varzaneh Desert – Dena Nationalpark – Shiraz – Persepolis – Abarkuh – Yazd – Tabas – Esfarayen – Golestan Nationalpark – Khaled Nabi – Jahan Nama Protected Area – Tschalus – Qasemabad-e Sofla – Talesh – Täbris
Für Juflis (vom Blog „DieseL 300“ abgekupfert):
„Jeder Tag in sich ist ein Erlebnis; das ist spannend, faszinierend, anstrengend, lehrreich, nachdenklich,… – eben ein Erlebnis.“
Darfs es Schibli meh si?
Iran war im letzten Jahr aufgrund der politischen Unruhen viel in den Medien. Sollen wir also gehen? Unterstützen wir damit das Regime?
Wir reisen nicht, um die Welt zu verändern – wir hoffen, die Welt verändert uns. Wir wollen offen auf Neues zugehen und unsere eigenen Beobachtungen machen.
Doch es ist nicht so, dass uns die Situation kalt gelassen hätte. Ist die Berichterstattung korrekt? Ist es zu unsicher? Werden wir Zeugen von Szenen, die wir nicht verarbeiten können? Fühlen wir uns überfordert/ohnmächtig?
Solche Fragen beschäftigten uns im Vorfeld. Wir sind froh, hat nicht die Angst gesiegt, denn Angst ist ein schlechter Ratgeber.
Gerade auch im Nachhinein sind wir überzeugt, dass ein Beitrag, den wir zur Verbesserung der Lage der Bevölkerung in Iran leisten können, der Besuch des Landes und der damit verbundene Tourismus ist. In einfach: Go there!
Mit einem etwas mulmigen Gefühl machen wir uns auf den Weg zur türkisch-iranischen Grenze. Wir haben im Vorfeld gelesen, dass sie etwas mühsam ist – da dir Fixer auf der iranischen Seite helfen und entsprechend entlöhnt werden wollen. Wir sind also vorbereitet. Denkste. Die türkische Seite ist in 20 Minuten abgewickelt, dann kommt der Iran. Der Soldat begrüsst uns gleich mit „Welcome to Iran“, anschliessend schaut er knappe 30 Sekunden in unseren Caravan, sagt: „No problem, you follow this guy, he makes stamp in your passport and you go.“ This Guy, wir merken es, ist ein solcher Fixer. Der nächste Grenzbeamte weigert sich, uns einen Stempel in den Pass zu machen, bevor wir den Fixer bezahlt haben. Sagt er und verlässt das Büro. Wir wollen nicht zahlen. Also werden wir ins Büro eines „wichtigen Mannes“ gebracht. Er hat ein Büro, bietet uns Schoggi an, fragt nach, wo es hingeht und bietet uns dann einen Reiseführer der Region an. Ah, er ist der Tourismusbeamte oder der Spion an der Grenze – wir wissen es nicht. Er wird uns noch viele Fragen stellen. Was wir vom Iran halten und ob Afghanistan den gleichen Ruf wie Iran hat. Was wir von den Protesten mitbekommen haben, ob wir verheiratet sind, welche Berufe wir in der Schweiz ausüben undundund… helfen in der Stempelsache tut er indes nicht.
Wir einigen uns mit dem Fixer auf 20 Euro für 4 Personen und plötzlich ist der Grenzbeamte wieder in seinem Büro und stempelt unsere Pässe ab. Nun kommt das Carnet de Passage fürs Auto. Dummerweise geben wir es aus der Hand und warten und warten und warten. Eineinhalb Stunden später bekommen wir das Carnet retour, vorausgesetzt wir bezahlen auch den neuen Fixer. Und natürlich sollen wir noch eine Autoversicherung lösen und iranische Nummernschilder bei der Polizei holen. Mühsam finden wir. Und wir haben schon im Vorfeld besprochen, erst nach Täbris zu fahren und dort eine Versicherung zu lösen.
Aber ehrlich, wären wir nicht zu viert, vielleicht wären wir eingeknickt.
Es braucht dann nochmals 10 Euro und eine halbe Packung Knäckebrot damit wir endlich unser Carnet bekommen.
Müehsami Sieche, finden wir. Zum Glück sind die Fixer an der Iran-Türkiye-Grenze die mit Abstand unfreundlichsten Iranis, die wir kennenlernen. Insgesamt bezahlen wir für 4 Personen und zwei Fahrzeuge 30 Euro. Wie wir später erfahren, haben Leute mit offiziellem Guide deutlich mehr bezahlt. Der ganze Grenzübertritt hat übrigens 3 Stunden gedauert.
Wir sind gut in der Zeit und fahren noch bis Täbris, wo wir im El Goli Park einen Parkplatz finden.
Auf dieser 3-stündigen Fahrt können wir uns gleich mit dem iranischen Strassenverkehr vertraut machen. Die Strassen sind so naja, überholt wird immer, notfalls passen auch 3 Autos auf zwei Fahrbahnen und es raucht schwarz und stinkt, – also die LKWs.
Bei Ali geniessen wir unser erstes iranisches Abendessen, einfach und lecker. Aber wie wir später merken, hat er ganz schön hohe Preise. Oder er hat es einfach nur gnadenlos ausgenutzt, dass wir mit der iranischen Währung und dem Preisniveau noch völlig überfordert sind. Jedenfalls haben wir in den folgenden 5 Wochen in manch besserem Restaurant gegessen und der Preis fiel immer niedriger aus 😉 Es war kein Ali, sondern ein echter Ali Baba, wie Soheil sagen würde…
Die iranische Währung ist der Rial, wegen der Inflation sind die Beträge aber mittlerweile so hoch, dass der Toman eingeführt wurde. Gesprochen wird meistens vom Toman. Eine Taxifahrt kostet 50 Toman, da kommen dann aber effektiv noch 3 Nullen hinzu, also 50’000 Toman was wiederum 500’000 Rial sind, ca. 1 CHF. Nicht so schwierig oder?
Es gibt keine Münzen, sondern nur Banknoten*. Alle Banknoten gibt es entweder als rote oder blaue Geldscheine (also gleicher Wert = 2 unterschiedliche Banknoten). Was das ganze Geldhandling auch nicht gerade erleichtert.
*Später erfahren wir, dass es doch Münzen gab. Wir haben nur nie welche gesehen.
Zurück zu Ali (Baba): Wir bekommen von ihm noch VPNs fürs Handy, da das iranische Internet stark eingeschränkt ist, braucht man diese um WhatsApp, Insta und Facebook zu erreichen. Er stellt uns auch noch einem „bekannten“ iranischen Sänger vor, welcher später im Park ein Konzert gibt. Yolanda, Reto und Marc gehen noch kurz reinhören. Der Sänger erkennt uns, begrüsst uns während des Singens und alle Zuhörer klatschen für uns. Wir fühlen uns mega wohl 😉
Der erste Abend ist ein Vorgeschmack auf die Zeit in Iran. Man fühlt sich manchmal wie eine V.I.P. Alle sprechen dich an, möchten ein Foto von dir machen und dir auf Instagram followen. Junge Frauen laufen an dir vorbei und grüssen. Grüsst du zurück, werden sie ganz scheu und kichern ganz aufgeregt.
Der erste Tag in Täbris ist vollgestopft mit administrativen Aufgaben. Die Versicherung für Bidu und Rüedu machen dauert gut 1 Stunde. Geld wechseln auf dem Bazaar ist eine mühsame Sache und wie Reto sagen würde: „Das macht mi kaputt“. Wir verköstigen uns anschliessend in einem kleinen Imbiss, wo der Kassier noch mit dem Zählrahmen rechnet. Und wir als kleine Attraktion so manch einen Blick auf uns ziehen.
Weiter machen wir einen Abstecher in den Bazaar. Wirklich schön und sehr angenehm. Im Oman wurde es Marc auf dem Souk zuviel, weil jeder dir was andrehen wollte. In Iran läuft die ganze Sache viel ruhiger ab. Niemand bedrängt dich oder quatscht dich an. Dafür sind die Preisverhandlung unsererseits völlig erfolglos. Von Soheil erfahren wir später, dass die Einwohner Täbris den Ruf haben, knallharte Verhandler zu sein und nicht nachgeben.
Der heutige Tag ist fast vorbei und wir versuchen noch iranische SIM-Karten zu erhalten. Leider kriegen wir nur eine (statt vier), aber besser als nichts. Da morgen Freitag (also in Iran Sonntag) ist, versuchen wir unser Glück dann in der nächsten Stadt.
Wir besuchen Kandovan, das Kappadokien Irans. Voll der Tourihotspot an einem Sonntag, werden wir feststellen. Glücklicherweise gehen wir früh los, denn das kleine Dorf ist schnell verstopft und die Autos kommen weder vorwärts, noch rückwärts. Der Aufhänger „Kappadokien Irans“ ist vielleicht etwas hochgegriffen. Wir finden fast mehr Gefallen an den vielen Süssigkeiten, die in den Felsenkellern verkauft werden. Wir geniessen unser erstes Dizi (iranisches Gericht), welches wir völlig falsch verspeisen. Wie es richtig geht, dass lernen wir dann erst am nächsten Tag in Urmia.
Wir wollen noch etwas Kilometer unter die Räder bringen und fahren bis zum Salzsee von Urmia.
Uns fällt rasch auf, dass die Iranis Picknick lieben. Überall wird gepicknickt: In Parks, am Strassenrand, auf einem Kreisel, auf dem Trottoir (manchmal sogar gezeltet) oder bei den Einbuchtungen der Brücke, die über den Salzsee führt. Denkbar doof und sicher nicht gemütlich, finden wir. Aber andere Länder, andere Sitten. Und so umschiffen wir halt die Autos und Picknicklager auf der Brücke und fahren zum nächsten Rastplatz, einem kleinen Teich bei Urmia.
Der Ort ist überhaupt nicht touristisch und es vergeht keine Minute, bis wir das erste Mal angesprochen werden. Welch ein Glück. Soheil spricht perfekt Englisch, denn er arbeitet als Schiffsoffizier auf den grossen Tankern des persischen Golfs. Er freut sich, dass Touristen den Weg nach Urmia gefunden haben und bietet uns seine Hilfe an. Dankbar nehmen wir an.
Am nächsten Morgen steht Soheil um neun auf der Matte und händigt uns 3 SIM-Karten aus, natürlich bereits mit Guthaben. Danach fährt er mit uns in die Stadt und zeigt uns das Zentrum. Wichtig ist auch die Kirche. In Iran gibt es vor allem im nordwestlichen Teil noch einige Christen und eben auch Kirchen, welche ihren Glauben aktiv praktizieren. In Türkiye haben wir nur zu Moscheen umfunktionierte Kirchen gesehen. Auch hier sind wir nicht einfach nur Touristen. Für den Besuch aus Europa öffnet man auch gerne die Hauptkirche. Auch wenn wir uns in dieser Rolle nicht superwohl fühlen, ist es ein Zeichen der Gastfreundschaft.
Apropos Gastfreundschaft: Taroof ist ein Begriff, den man bei einem Besuch in Iran kennen muss. Die Gastfreundschaft in Iran gebietet es, dass man Essen verschenkt, Dienstleistungen kostenlos anbietet und (zuerst) kein Geld annimmt. Aber genauso wird vom Gegenüber auch erwartet, dass dies abgelehnt wird. Das Spiel geht ungefähr dreimal hin und her. Wenn der Gebende immer noch darauf besteht, darf man das „Geschenk“ getrost annehmen.
Aber man merke sich: Man gibt keinen leeren Teller zurück. Deshalb füllt man bei der Rückgabe selbst auch (Früchte oder Süsses) auf den Teller und gibt diesen retour.
Die Iranis wissen, dass nicht alle Touristen diese Tradition kennen und verzeihen viel. Dennoch kann es zu komischen und unhöflichen Szenen kommen, falls man annimmt, dass der Taxifahrer dir die Taxifahrt wirklich schenkt und du beim ersten Mal einfach annimmst. Denn auch wenn die Iranis wesentlich freundlicher gegenüber Ausländer sind als unserein. Ein Restaurantbesitzer und ein Taxifahrer müssen auch Geld verdienen.
Wir kurven mit Soheil noch etwas durch die Strassen und gehen dann in einem traditionellen iranischen Familienrestaurant essen. Soheils Vater kommt auch mit und wieder sind wir die besonderen Gäste. Wir dürfen in die Kochtöpfe blicken und Soheil und die Besitzer meinen, wir dürften das Kopftuch ablegen. Sie wüssten um die ungewohnte Tradition für uns. Etwas mulmig legen wir ein erstes Mal das Kopftuch ab. In Zukunft kommt das noch einmal in Shiraz vor, in einem schickeren Restaurant, in dem ungefähr 90% aller Frauen das Kopftuch ablegten.
Die Gerichte, die Soheil für uns bestellt, sind alle superlecker und wir lernen, dass man den Mörser, der zum Dizi serviert wird, auch braucht um das Gericht zu zermalmen.
Wir verabschieden uns ein erstes Mal von Soheil. Er wird uns jedoch während der ganzen Reise alle 2 Tage anrufen um zu fragen ob alles ok ist oder ob wir etwas brauchen.
Dann ziehen wir weiter in Richtung Thakht-e- Soleymān. Diese archäologische Stätte wurde unter anderem als zoroastrischer Feuertempel gebraucht.
Bevor wir die Stätte besichtigen, marschieren wir noch kurz einen Kraterberg hoch, den uns Soheil empfohlen hat. Es wird in der Nacht hier übrigens so kalt, dass wie sogar nochmals die Heizung benutzen. Wir hätten es nicht gedacht.
Auch unerwartet ist die grüne Landschaft, die uns im Nordwesten begegnet. Wenn man an den Iran denkt, dann tauchen vor allem Wüstenbilder im Kopf auf. Ganz anders aber sind unsere ersten Tage in Iran. Wohl fast die Hälfte Irans befindet sich auf einem Hochplateau über 1500 m, weshalb auch die Nächte noch angenehm kühl sind.
Wir finden auch die Höhlen in Ali-Sadr eindrücklich, obwohl Lonely Planet (Reiseführer) den Besuch überteuert findet (ganze 8 Euro). Es ist die grösste Höhle Irans und bei der Besichtigung wird der erste Teil per Pedalo zurück gelegt. Ein Besucher muss jeweils auch treten helfen. Bei uns ist’s Marc, der den Ehrenplatz ergattert.
Langsam verlassen wir die grüne Region Irans und machen uns auf den Weg in die Maranjab- Wüste, wo wir uns eine Übernachtung in der Karawanserei gönnen. Die 40km dahin sind aufgrund der Waschbrettstrucktur eher mühsam und wir haben Mitleid mit dem Inventar unseres Bidus. Die Karawanserei selber wurde wunderschön restauriert, wenn auch der Besuch etwas enttäuschend ist. Die Betreiber sind entweder nicht auf Individualtouristen ausgelegt oder mögen einfach nicht wirklich arbeiten. Jedenfalls entscheiden wir uns am nächsten Tag retour und Richtung Kashan aufzubrechen.
Bevor wir die Stadt erreichen, machen wir noch einen kurzen Stop in Noushabad (= Stadt mit kühlem Wasser), das für seine unterirdischen Tunnels und riesigen Wasserzisternen bekannt ist. Diese alte Methode der Wasserlagerung war ein erfolgreiches Mittel um in den heissen Sommermonaten das Wasser kalt zu lagern. Dort treffen wir auch auf einen Tuchweber, der uns stolz sein Unternehmen zeigt. Und ich mein erstes Iran Souvenir posten darf 🙂
Später finden wir einen schönen Platz im städtischen Park etwas ausserhalb von Kashan, wo wir uns sogar ziemlich gut „verstecken“ können. Tags darauf besichtigen wir die Innenstadt, die Herrschaftshäuser und den Bazaar. Natürlich werden wir wieder von einer iranischen Familie begleitet, die uns wirklich so gerne als ihre Gäste hätte. Wir entscheiden uns aber für einen gemeinsamen Tee im Bazaar. Da wirklich nur der Mann Yasser Englisch spricht, wäre es für ihn (und uns) ein anstrengender Abend geworden.
Wir haben auf der Reise unterschiedliche Menschen kennengelernt, die den Iran auch ganz unterschiedlich bereisten. Einige haben jede Einladung (und es gibt viele) angenommen und sich so sicher einen vertieften Einblick auch in deren Zuhause verschafft. Denn Kommunikation gelingt auch ohne gemeinsame Sprache. Dennoch wären wir in dieser Situation nicht wohl und wir haben uns dazu entschieden, eine Einladung nur dann anzunehmen, wenn wirklich mit der Mehrheit der Familie auf Englisch kommuniziert werden kann. Hinzu kommt ein weiteres, nicht unwichtiges Detail. Iranische Familien essen in aller Regel sehr spät (gegen 22 Uhr oder später). Zu diesem Zeitpunkt sind wir hier in Iran aber bereits völlig kaputt. Die strengen Tage mit dem Verkehr, den vielen Menschen und der Hitze brauchen uns wirklich sehr und oft fallen wir um 21 Uhr hundemüde auf die Matratze.
Nach Kashan sind wir schon sehr auf Isfahan gespannt, die Stadt, welche wir als nächstes ansteuern. Die erste Nacht verbringen wir in einem Park etwas ausserhalb. Für knappe 3 Franken dürfen wir dort stehen. Wasser und Toiletten sind wieder für die Allgemeinheit vorhanden und zu unserem Erstaunen hat es für einen Sonntag (also unser Freitag) erstaunlich wenig Menschen im Park. Wir gönnen uns einen Omnia-Gratin und gehen dann zeitig ins Bett, da wir morgen bereits früh ins Zentrum fahren wollen.
Am nächsten Morgen dann eine unerwartete Überraschung: Der ganze Park ist voller Autos und Zelte. Wann diese Menschen alle ankamen, wissen wir nicht, wir haben tief und fest geschlafen.
Allgemein fällt uns auf, dass die beiden Wochenendtage anders als bei uns gelebt werden. Der Sonntag ist ein Tag, an dem alle rausgehen und es wird auch noch bis spätabends gepicknickt. In Iran scheinen sie den heiligen ersten Arbeitstag „Montag“ nicht ganz so zu huldigen wie wir.
In Isfahan stellen wir uns auf einen bewachten Parkplatz in der Nähe der Si-O-Se-Pol Brücke. Nichts für Instagram, aber so können wir abends immer noch einen Blick auf die gut besuchte Brücke und deren spektakuläre Beleuchtung werfen.
Wir machen uns auf den Weg ins Zentrum und besuchen unterwegs noch kurz die Reiseagentur Tap Persia. Durch diese haben wir unser Iranvisa innerhalb weniger Tage erhalten.
Beim kurzen Besuch erfahren wir, dass es für die Schweizer am einfachsten sei, ein Visa zu erhalten. Und dass die Schweizer Botschafterin regelmässig Reisen über Tap Persia bucht. Und sie sich jeweils nicht freue zu hören, wie viele Schweizer sich in Iran aufhielten. Obwohl von touristischen Reisen in Iran vom EDA abgeraten wird.
Nun, wir sind dennoch froh, haben wir uns nicht abschrecken lassen. Denn obwohl für Reisende eine gewisse Gefahr bestehen mag (wir fühlten uns immer sicher): Für die einfache Bevölkerung ist der Tourismus eine grosse Chanche. Und je mehr Touristen in den Iran reisen, desto schwerer kontrollierbar wird die Situation für die Regierung. Und genau das passiert momentan in Iran. Seit letztem Herbst gibt es Gebiete (mehrheitlich in modernen Städten), da ist die Durchsetzung der Hijabpflicht schlichtweg nicht mehr möglich ohne weitere grosse Aufstände.
Gerade in diesen Tagen erreicht uns die Nachricht, dass die iranische Regierung beschlossen hat, die Sittenwächter wieder einzuführen. Wir schauen gebannt auf die nächsten Monate in Iran.
Der Nasqsh-e Jahan Platz ist mit der grossen Imam-Moschee und dem umgrenzenden Bazaar wunderschön und ein Magnet für Touristen und Einheimische gleichzeitig. Jedenfalls gegen Abend. Den Tag hindurch kämpfen sich nur kulturhungrige Touristen unter der Sonne den Wänden entlang und in den Bazaar.
Obwohl der Bazaar in Iran die „alte Art“ des Einkaufens ist, findest du auf dem Bazaar nach wie vor alles, was du begehrst. Teppiche, Kunsthandwerk, Gemüse, Fleisch, Süssigkeiten, Gewürze, Kleider und Schuhe, Unterwäsche und Dessous (jawohl und diese sogar für alle sichtbar ausgestellt), Kosmetikartikel und Raucherwaren…und natürlich auch u huere viu Hudle (Chopftüecher), von denen sich Yolanda so einige gegönnt hat 😉
Ich konnte leider praktisch keine Souvenirs kaufen, weil Marc es mir mit dem Hinweis auf unseren begrenzten Platz verbot. Wenigstens von 4 neuen Lavettli konnte ich ihn überzeugen 😉
Am nächsten Tag gönnen wir uns in einem Hipsterrestaurant ein paar Pancakes zum Frühstück. Wir sind zwar noch immer sehr voll von den Slider-Burgern, die bei uns vieren mittlerweile Kultstatus erreichten. Kein Burger entgeht dem ultimativen Slidervergleich.
Noch einmal schlendern wir durch die Gassen der Altstadt und versuchen uns, wenn immer möglich, im Schatten zu bewegen. Denn auch wenn es erst anfangs Mai ist, in Isfahan steigen die Temperaturen bereits gegen 36 Grad.
Abends erleben wir dann einen persischen Kochkurs mit Mernoosh. Leider hat sie schon sehr viel vorbereitet, weshalb für uns vor allem das Datteln und Gemüse schneiden übrigbleibt.
Lustig war, dass Mernoosh uns im Vorfeld gefragt hat, ob wir Wein oder Bier zum Abendessen möchten? Haha, funny joke … so dachten wir und orderten Wein. Und Überraschung: Den gab es dann auch! Mit Etikette des Weingutes, welches iranischen Wein produziert. Denn in Iran ist Alkohol zwar verboten, aber das heisst nicht, dass er nicht regelmässig und auch nicht wirklich versteckt konsumiert und produziert wird.
Iran scheint diese Widersprüche recht gut zu kennen. Kein Alkohol, aber viele Menschen trinken Alkohol. Kein Instagram und Facebook, aber sogar der Ministerpräsident Irans hat einen Facebookaccount. Frauen müssen Hijab tragen, aber das Nach-hinten-fallen-lassen wird so weit wie möglich ausgereizt.
Aber die Antworten auf die Proteste letzten Herbst haben gezeigt, dass das iranische Regime nicht gewillt ist, die Forderungen und den Willen der Bevölkerung zu berücksichtigen. So werden während unserer Zeit in Iran mehrere Exekutionen an Männern durchgeführt, die während den Protesten für den Tod von einem Polizisten verantwortlich gemacht werden. Unsere Botschafterin hat diese Exekutionen dann auch offen auf Twitter kritisiert. Die iranische Regierung was not amused. Wir dagegen wirklich stolz, eine Botschafterin in Iran zu haben, die auch mal klar Stellung bezieht.
Weiter fahren wir in die Wüste Varzaneh, denn wir hoffen nochmals auf echte Sanddünen. Beim Parig Ecocamp von Reza werden wir fündig. Er hat eine einfache Karawanserei aufgebaut und Toiletten, die man mitbenutzen kann. Wir brauchen diese zwar nicht, finden es aber trotzdem toll, wie er sich um die Gegend kümmert. Er geht wöchentlich durch die Dünen und säubert diese, hat mehrere Abfalleimer aufgestellt, sodass Leute ihre Picknickabfälle nicht einfach dort liegen lassen. Wir finden ein Plätzchen weiter versteckt in den Dünen und erleben einen kleinen Sandsturm. Gar nid mau so gmüetlech, dä Sang zwüsche dä Zäng….abends versuchen wir noch den Mondaufgang zu erleben und kraxeln deshalb extra wieder eine 50m hohe Sanddüne hoch…aber leider nein, wir erleben eine Nacht mit Wolken.
Dafür ist der nächste Tag wolkenlos und es brätelt schon um 6 auf unsere Büslis. Nicht so schlimm, wir machen sowieso eine Tour zum Salzsee und durch die Dünen. Der See ist ganz schön, aber das wahre Highlight ist natürlich das Auto. In einem alten Nissan Patron, im Beifahrersitz fast liegend, klappern wir durch die Gegend. Und dann gehts hoch in die Dünen. Saeed lässt sich nicht lumpen und wir düsen durchs Zeug. Manchmal ist selbst Saeed erstaunt, wenn es stutzig bergab geht und wir uns vorne nicht eingraben. Was für ein Gepolter und was für ein Gestank vom Auspuff. So genial wirs auch finden, wir spüren die Nachwirkungen später noch, denn uns ists etwas kötzlig zumute. Einmal bleiben wir noch stecken und müssen uns wieder ausbuddeln. Alles in allem ein absolut unvergessliches Erlebnis, welches wir mit Saeed immer wieder machen würden 🙂
Danach fahren wir weiter Richtung Shiraz. Wir entscheiden uns aber für die etwas weniger befahrene Strasse durch die Dena Protected Area und verbringen noch zwei wunderbar erholsame Nächte am Fluss Khersaan. Tagsüber ist es angenehm, im Fluss kann man zumindest die Füsse kühlen und Leute hat es für einmal auch fast keine. So könnten wir noch wochenlang in Iran verweilen 😉
In Shiraz schlägt dann wieder die Hitze zu. Im Schatten bewegen wir uns ins Zentrum, wo wir den Bazaar aufsuchen. Dieser ist wunderschön, aber eigentlich sind wir auf der Suche nach etwas ganz Bestimmten: Getrockneten Erdbeeren. In Isfahan per Zufall entdeckt, sind wir begeistert von diesem gesunden Snack. Mit Hilfe von Einheimischen werden wir fündig und zum richtigen Verkäufer geleitet. Auch eine schöne Sonnenbrille von Louis Vuitton liegt drin 😉 Eigentlich sollten wir aber wohl gar nicht in Shiraz sein, den laut unseren Handys befinden wir uns den ganzen Tag in Teheran. Fühlt sich etwas komisch an, war aber wohl die normale Touristenüberprüfung des iranischen Regimes.
Abends gönnen wir uns eine Ping-pong Runde im Park und sind wieder einmal verzaubert vom Leben in den iranischen Parks. Überall wird gespielt, gepicknickt, gelacht und geradelt. Fahrräder und jegwelcher fahrbarer Untersatz kann man gleich auf dem Platz mieten. Direkt nebenan schlafen wir dann auf einem kleinen Parkplatz. Die Nacht ist für Yolanda und Reto nicht sehr erholsam und wir beschliessen uns kurzweilig zu trennen. Sie fahren schon zum nächsten Platz vor. Wir besuchen noch die bekannte Pinke Moschee (Nasir-ol-Molk Moschee) und das Grab von Hafez, dem lokalen aber weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten Dichter. Rebe wollte unbedingt so ein Gedichtband und liest Marc nun jeden Abend vor dem Schlafengehen eines dieser schwülstigen Gedichte vor.
Wir brechen frühmorgens auf um dem Verkehr zu entkommen und treffen uns in Persepolis wieder mit Reto und Yolanda. Marc gönnt es sich hier, einfach im Auto zu warten und Be macht sich alleine auf die Socken, um diese archäologische Kulturstätte zu erkunden.
Wir wollen am nächsten Tag in Yazd möglichst früh ankommen und fahren deshalb noch bis zum Ali Dom. Unter einem unglaublichen Sternenhimmel dürfen wir diesen Abend ausklingen lassen und schlafen aufgrund der angenehmen Temperatur auch gut.
Dann geht es nach Yazd. Wir parkieren bei einem Hotel, müssen aber dafür verkehrt in eine Einbahnstrasse. Was klappt, auch wenn es sich etwas schräg anfühlt etwas Verbotenes zu machen. Aber hey, wenn sie es irgendwo nicht so genau nehmen mit den Verkehrsregeln, dann in Iran. Denn Iranis mögen die höflichsten/gastfreundlichsten Menschen (vielleicht auf der ganzen Welt sein), aber wenn sie im Auto sitzen werden sie genauso zu A* wie der Rest der Welt.
Also wir sind eingeparkt und lassen die Hitze auf uns wirken. Im Restaurant des Hotels verköstigen wir uns mit vegetarischen Speisen. Eine Seltenheit. Wir haben insgesamt auf unserer Reise so viel Fleisch gegessen wie in keinem Jahr davor. Aber vor allem in Iran finden wir es schwierig, die vegetarischen Gerichte auf einer Karte zu finden. Und wenn, dann ist es halt oft das gleiche: Reis.
Marc und ich schlendern dann ein erstes Mal durch die Stadt und merken, dass nachmittags eigentlich nur die Touristen unterwegs sind. Die eher konservative Bevölkerung der Stadt hat sich in die kühleren Innenräume verzogen. Wir besichtigen das Wasserkanalmuseum und schlendern ein erstes Mal über den Bazaar. Später stossen noch Yolanda und Reto dazu und wir flanieren gemeinsam durch die Altstadt von Yazd. Die alten Lehmbauten, die verwinkelten Gassen und die Windtürme, welche tieferliegende Räume kühlen, bieten eine Atmosphäre wie aus 1001 Nacht. Das Restaurant, welches sich auf dem Dach eines solchen Gebäudes befindet, ist auch vorzüglich. Bis auf den Wallnussburger von Rebe…da hätte sie mal lieber einen Slider bestellt.
Zufrieden und völlig überessen kehren wir zurück zu unseren Autos um dann festzustellen, dass jemand das Nummernschild von Rudipaludis abgerupft hat. Zum Glück liegt es neben dem Auto und Reto hats schnell wieder angeschrüblet.
Am nächsten Tag gönnen wir uns eine unserer insgesamt 6 Duschen in Iran im Hotel nebenan. Danach machen wir uns auf zum zoroastrischen Tempel. In Yazd leben noch ungefähr 200 Menschen, die Zoroastrier sind. Yazd selber hat 433’000 Einwohner. Diese Lehre kommt ursprünglich aus dem persischen Raum und ist eine monotheistische Religion. Mehr dazu hier.
Nun geht es zurück zum Bus und wir versuchen uns der Nachmittagssonne etwas zu entziehen. Gegen Abend suchen wir uns einen schönen Aussichtspunkt auf einer Dachterrasse, um einen Blick auf die Dächer von Yazd in der Abendsonne zu erhaschen. Yolanda und Reto sind passionierte (Hobby)Fotografen. Dank ihnen und ihren Augen haben wir so manch schönes Bild in Iran geschossen, dass wir ohne sie nicht hätten.
Nach einem letzten Abendessen, Kamelgulasch, trennen sich hier auch unsere Wege. Es ist unklar, ob wir uns in Iran wiedersehen. Die beiden ziehts noch mehr gen Osten nach Bam und Kerman und in die Dasht-e Lut Wüste. Der heisseste je gemessene Punkt der Erde, notabene. Marc sagt nein danke (Rebe übrigens auch) und wir machen uns auf den Weg in Richtung Norden. Wir möchten wieder etwas langsamer unterwegs sein und hoffen, im Norden eventuell noch ein paar Wanderungen machen zu können.
Bei einem kurzen Abstecher in Tabas, wo wir einmal mehr einen schönen grünen Garten inmitten von Wüste erleben, begegnen wir auch der ersten und einzigen Person, die sich während dieser Reise für das Regime ausspricht. Die dummen Protestierenden wären der Grund, weshalb es keine Touristen mehr gebe im Land. Mmmhhh und weiter….Tabas gehört wie Mashad, Yazd und Qom zu den konservativen, religiösen Städten.
Für die gut 300km wollen wir vorher noch tanken. Nicht ganz so einfach in Iran. Diesel gibt es nur für LKWs. Und Diesel ist enorm billig. Aber um Diesel zu kriegen, brauchst du eine Tankkarte, welche wir nicht haben. So müssen Marc und Reto bei den Tankwarten und bei den LKW Fahrern „betteln“ gehen. Manchmal klappt’s ohne Probleme, oft aber ist es mühsam. Lesen können viele Tankwarte nicht. Also mit Händen und Füssen übersetzen.
Der Diesel ist pro Tag kontingentiert und manchmal können die Fahrer uns nichts geben, da sie selber ihre 200 Liter brauchen. Selten hat auch der Tankwart eine Karte. Dann ist es meist unkompliziert. Preisverhandlungen haben wir praktisch keine geführt. Weil wir immer erleichtert sind, wenn wir Diesel kriegen. Und nicht selten mehrere Tankstellen anfahren müssen. Und auch wenn die Preise sicher immens überrissen sind, die wir bezahlen. Für uns sind 4 Franken für einen vollen Tank halt dennoch nicht viel.
Die lange Fahrt nach Esfarayen ist fast surreal. Hundertkilometer lange Strecken einfach gerade aus durch karge Landschaften. Ab und zu ein Kamel, ab und zu eine kleine Siedlung. Oft sind die Strassen in Iran gut und man muss sich nicht Sorgen wegen plötzlicher Schlaglöcher machen. Die vielen Speed Bumps hingegen, die sind eine andere Liga. Marc machen sie kaputt. Und vor allem im Norden ist er dankbar für die Fahrerwechsel, weil er bei durchschnittlichen 36km/h und ständigem Stop-and-go durch den Norden tuckern unmöglich findet.
In Esfarayen sehen wir auf Google Maps die alte Belqeys Festung und beschliessen, dort schlafen zu wollen. Nach einer kurzen Erkundung unsererseits kommen auch schon die ersten Einheimischen, die uns begrüssen und uns willkommen heissen. Auch die beiden Wächter meinen, es sei kein Problem hier zu schlafen und rufen noch den Verantwortlichen der Ausgrabungsstätte. Ferhad spricht sehr gut Englisch, beschenkt uns mit Poster und einer wissenschaftlichen Abhandlung zur Ausgrabungsstätte. Er informiert uns über die desaströse Geldverteilung für solche Ausgrabungsstätten und meint, diese religiösen Fanatiker hätten keinen Geist für Kultur und deshalb würde die jahrtausendealte persische Kultur nicht gepflegt und erhalten. Er selbst sei in den Protesten auch verhaftet worden. Er hat mir auch völlig ohne zu zögern die Hand gegeben.
An dieser Geste merkt man sofort, ob jemand der neuen Generation angehört. Die Hand nicht zu schütteln ist keineswegs rückständig. Aber wenn man ein Zeichen setzen will, dann grüsst man die Frauen eben auch mit Handschlag.
Wir kommen langsam im Norden an. Und wollen mal wieder unser Auto waschen lassen. Dies gelingt uns in der Waschanlage von Carwash Radin. Für umgerechnet 4 Franken wird unser Auto aussen blitzsauber gereinigt und innen durchgeblasen und das Cockpit gereinigt. Super Sache. Als ich nachfrage, ob auf der anderen Strassenseite eine Bäckerei zu finden sei, verneint er. Leider nein, sie ist geschlossen. Keine 10 Minuten später steht seine Mutter auf dem Platz und bringt mir ein Brot. Das war natürlich nicht so gemeint, aber in Iran kann man keine unbedachten Äusserungen machen.
Wir fahren weiter durch den Golestan Nationalpark und hoffen auf einen schönen Stellplatz etwas abseits. Neider lein. Die Iranis brauchen keine Plätze und Wege, die ins Abseits führen. Sie parkieren und campieren einen Meter vom Strassenrand entfernt. Und das wollen wir dann doch nicht. Und so fahren wir weiter auf eine grosse Wiese am Hang, die von Ziegen und Schafhirten gleichermassen benutzt wird wie von Picknickern und Paraglidingschülern. Und mittendrin dann noch der Bidu. Natürlich sind wir wieder von grossem Interesse, aber diesmal vor allem bei den Tieren. Unter unserem Bidu findet man so herrlich Schatten und nicht selten poltern sie mit ihren Hörnern an unserem Chassis. Auch die Esel kommen vorbei um sich eine Karotte zu holen. Dort verbringen wir 2 erholsame Tage und geniessen das Treiben um unseren Bus.
Khaled Nabi steht als nächstes auf dem Programm. Die Turkmen Sahara liegt nahe der Grenze zu Turkmenistan. Wäre der Monsieur von Turkmenistan nicht so ein verzworgleter Cheib, wir hätten versucht, nach Turkmenistan einzureisen. Aber zurzeit ist nur eine 3-tägige Einreise mit Guide möglich, was uns sicher 1000 Euro kosten würde. Und ja, weil der Monsieur nur weisse Autos auf seinen Strassen will, wäre es auch nicht klar, ob wir überhaupt reinkommen 🙂
Aber die Turkmen Sahara ist ein kleine Entschädigung. Atemberaubend der Blick über die surreal anmutende Landschaft. Lustigerweise ist das viel beliebtere Fotosujet nicht das des Propheten Khaled Nabi, sondern dessen Hirte Choopan Ata.
Abends fahren wir auf einen leeren Parkplatz etwas unterhalb. Hier können wir es wagen und wieder einmal duschen. Also alles vorbereiten, Rebe duscht und Marc steht Wache. Alles geht gut. Wir drehen die Sache. Marc ist sich gerade am einseifen, da rauscht ein Töff den Hügel hinab… und kommt genau zu uns. Marc huscht voller Seife zurück in den Bus. Ich versuche mit dem Mann zu kommunizieren. Er will gar nicht. Immer wieder deutet er auf das Innere des Buses. Also halt. Dann muss Marc rauskommen. Er flucht zetermordio ob den verklemmten Sieche, wo nicht mal mit Frauen sprechen können. Und muss sich anziehen. Der Herr meint es eigentlich nur gut. Wir sollen doch an einem Ort etwas weiter oben parkieren, wo es mehr Licht und Menschen hat. Wollen wir ja eben nicht, weil wir füdliblutt duschen wollen. Irgendwann versteht er, dass wir bleiben werden und fährt davon.
Und Marc muss nochmals von vorne beginnen. Und diesmal reichts auch fürs Seife abduschen 😉
Auf dem Weg zurück wollen wir noch tanken gehen. Wir haben Glück, der Tankwart hat selbst eine Karte und wir können volltanken. Als der Tankwart uns sieht, haben wir keine Chance. Ich muss den Wagen an den Rand fahren, wird mir befohlen. Und Marc folgt dem Tankwart auf Kommando. „Ich dachte, du wolltest nicht eingeladen werden?“, wende ich mich an Marc. „Keine Chance!“, meint er. Also führt der Tankwart uns zu seinem Haus neben der Tankstelle, wo uns dann seine Frau Tee macht. Währenddessen fährt er ins Dorf und holt Gebäck und Früchte. Beide sprechen etwas Englisch. Später holen sie dann noch die Tochter von der Schule ab und bitten uns, für Shashlik (Barbecue) zu bleiben. Zuerst lehnen wir ab, aber sie beharren darauf und wir geben nach. Das Mädchen freut sich auch sehr, dass zwei Gäste aus dem Heidi-Land bei ihr zuhause sind. Heidi ist in Iran eine bekannte Zeichentrickfilmfigur. Später brechen wir satt und um eine Erfahrung reicher auf. Die Familie bleibt für uns in guter Erinnerung und durch die regelmässigen Insta-Herzen, die Marc für seine Posts erhält, bleiben wir einander etwas verbunden.
Wir entscheiden uns für eine Panoramastrasse, welche mit steilen Serpentinen beginnt. Anschliessend durchfahren wir eine grüne Hochebene und finden ein lauschiges Plätzchen mitten im Nichts. Also alleine ist man in Iran ja nie. Wir beobachten eine Schafherde mit ihrem Hirten. Später kehrt der Hirte mit einem Esel zurück und treibt 2 Schafe zusammen, die sich in den Hecken versteckt haben. Aber sie wollen nicht richtig spuren und kurzerhand bindet er die beiden Schafe auf den Rücken des Esels und marschiert davon.
Wir fahren am nächsten Tag in das nächste Dorf und wandern bis zu den ersten Schneefeldern des Berges Gavkoshan hoch. Ganze 3840m wäre dieser, aber wir geben bei ungefähr 3300m auf. Und wir merken, wir sind nicht mehr so in Form wie letzten Sommer. Die Höhenluft tut sicher auch noch ihr Übriges. Und ehrlicherweise, der Damavand mit 5610m ist für uns nicht realistisch, auch wenn die Besteigung verhältnismässig einfach sein soll.
Weil uns der Ort so gefallen hat, kehren wir nochmals zum vorherigen Platz zurück und bekommen prompt Besuch von einem Ranger. Was wir hier machen, will er wissen. Schlafen und ob es sicher sei hier, fragen wir. Klar, in Iran ist es überall sicher. Und ob wir Waffen hätten, möchte er auch noch wissen. Dann wünscht er uns eine gute Nacht und fragt, ob er noch etwas für uns tun könne. Nein, wir sind happy. Und dann kommen nochmals die Hirten vom gestrigen Tag vorbei. Sie schenken uns Joghurt und plaudern mit Marc, obwohl sie nicht miteinander sprechen können. Egal, Marc ist glückselig an diesem Abend.
Und dann fängt das Drama an: RudiPaludis haben mit ihrem Rüedu eine Panne. Und die Odyssee beginnt. Garage in Esfarayen, Katalysator ausklopfen. In Boschnourd findet man ein Anlaysegerät und kann erkennen, es ist der Dieselpartikelfilter. Aber das Auto läuft noch immer im Notfallmodus. Und so machen sich die beiden in mehreren Etappen auf den Weg um in Gorgan bei einer Ambulanzwerkstatt (welche Mercedes-Sprinter kennt) das Notfallprogramm im Auto löschen zu lassen und weiterzufahren. Den Dieselpartikelfilter kann man in Iran nicht auftreiben, das Programm können sie löschen. Aber der Kat und Dieselpartikelfilter müssen ersetzt werden und die beiden entschliessen sich, eher rasch als langsam in Richtung Armenien aufzubrechen. Wir entschliessen uns, zwar über eine andere Strecke aber auch wieder nach Täbris zu fahren. Damit wir dann gemeinsam über die Grenze können. Unser Visa wäre noch etwa 5 Tage länger gültig. Aber ehrlicherweise werden Rebe die Hudlen und die mangelnde Privatsphäre im Bus langsam etwas zu viel.
Biduletis (also wir) fahren deshalb gemütlich entlang des Kaspischen Meeres über Ramsar, Rascht wieder nach Täbriz. RudiPaludis über Teheran.
Der Norden, so hat man uns im Süden Irans versprochen, sei viel kühler als der Rest Irans. Nun, wir finden ihn vor allem viel tropischer. Während im Süden Irans eine Luftfeuchtigkeit von 10% und weniger herrscht, ist es in Rascht fast unerträglich tüpig.
Wir besuchen auch noch das Pamukkale Irans, wobei es auch hier klar nicht ans Original reicht. Durch eine ungenügende Pflege wurden die Becken von Badab Soort so stark verschmutzt, dass alle Gesteine mittlerweile braun eingefärbt sind. Auch die Hinfahrt ist mühselig und eigentlich echt nichts für unseren Bidu. Aber egal, wir tun einmal mehr so, als wäre er ein Offroader.
Im Norden fallen uns 3 Dinge besonders auf:
Es hat unzählige Speed Bumps, viel mehr noch als bisher. Marc kommt an seine mentalen Grenzen und es lüpft nä mängisch fasch. Zum Glück kann ich einspringen und somit etwas entlasten.
2: Die Frauen sind hier viel offener gekleidet. Kurzärmlige T-Shirt und keine Kopftücher sind hier öfter zu sehen. Es stimmt wohl, dass der Norden viel liberaler sei als der Rest Irans.
Und es gibt nochmals mehr Schönheits-OPs als sonst. Und es gibt überall viele gemachten Nasen in Iran!
Soheil hat übrigens gemeint, die Nase von Marc sei auch gemacht: Weil sie so perfekt sei 🙂
So geniessen wir noch die letzten Tage im Norden Irans. Wir schlafen in einem Waldstück in der Nähe einer Wasserfalls und werden in der Nacht immer wieder von den ungefähr 7 Strassenhunden geweckt. Aber Marc kann trotzdem gut schlafen, denn er ist hundemüde von der anstrengenden Fahrt dorthin. Wir merken einmal mehr: Im Feierabendverkehr wird es in Iran jeweils haarsträubend, da alle so schnell wie möglich heimwollen.
Die Tagesfahrt nach Tschalus ist ein Graus und wir müssen uns immer wieder abwechseln. Zusätzlich wird die Fahrt durch die Hitze und fehlende Klimaanlage nicht gerade leichter zu ertragen. Wieder hält uns eine Polizeikontrolle an und fragt nach unserem iranischen Nummernschild. Brauchen wir nicht; Carnet de Passage, sagen wir und der Polizist lässt uns weiterziehen. Ob er jemals was vom Carnet de Passage gehört hat? Wir wissen es nicht, aber sicher mochte er nicht seine Zeit mit uns verplempern.
In Tschalus stellen wir uns auf einen Parkplatz direkt am Strand und fragen den Restaurantbesitzer, ob dies erlaubt sei. Klar doch, meint dieser und lädt uns auf einen Kaffee ein. Später gönnen wir uns eine ganz grusige Pizza bei ihm. Der Käse ist fast wie ein Marshmallow. In Nebenraum spielen ungefähr 12 Iranis (Frauen und Männer gemischt) ein Spiel, welches uns sehr ans Spiel Werwolf erinnert. Dieses Spiel, so wird uns mitgeteilt, wird hier jeden Abend gespielt. Wir schlafen wieder herrlich in unserem Bidu. Der ist übrigens wieder einmal der heimliche Star des Strandabschnittes und alle Kids kurven um den Bus, in der Hoffnung, noch kurz mit Marc quatschen zu können.
Wir sind übrigens auch hier nicht die einzigen: Vieler Iraner/innen schlafen in dieser Nacht in Zelten oder direkt auf der Strandpromenade.
Wir folgen der mühseligen Strasse bis Ramsar, eine Besichtigung der Stadt lassen wir aber sein. Wir haben genug Städte gesehen und es ist so unsäglich tüpig. Wir fahren etwas weiter zu einer Ecolodge, wo wir auf dem Parkplatz davor parkieren dürfen. Endlich gibts mal wieder eine Dusche und ich darf sogar das Kopftuch im Garten ablegen.
Die zwei Besitzer haben wirklich eine kleine Oase der Ruhe geschaffen. Durch ihre geleiteten Wanderung und Führungen zu lokalen Webereien leisten sie ihren Beitrag für einen nachhaltigen Tourismus und sorgen für einen regelmässigen Erwerb der lokalen Webfrauen, deren Handwerk immer weniger gewürdigt und entlöhnt wird.
Ein letzter Stop am Meer; wir finden ein Plätzchen am Gissom Beach. Wie natürlich unzählige andere Iranis auch. Baden tut niemand, aber reiten, spielen, Quad und Jetski fahren hingegen schon. Wir sind wieder mal die absoluten Exoten, und obwohl wir etwas abseits parkiert haben, drehen die Autos vor uns ihre Runden um einen Blick auf die Ausländer zu erhaschen. Eine Familie winkt vom Auto und steigt gleich aus. Sie haben auch Picknickstühle dabei, setzen sich zu uns und der Lehrer ist unendlich stolz auf seine beiden Töchter, die ohne Probleme mit den Ausländern sprechen können. Deshalb hat er sie in den Englischunterricht geschickt, berichtet er mit einer Träne im Auge. Er ist ein Lehrer mit Leib und Seele und sichtlich gerührt, dass es Schweizer bis an den Gissom Beach geschafft haben. Nur damit, dass wir abends nicht zurück in die Stadt möchten, um bei ihnen zu schlafen, ist für ihn nur schwer akzeptierbar. Wir dürften auch in der separaten Wohnung schlafen und duschen und Essen….dass wir den Verkehr und in der Nacht fahren anders als er selbst beurteilen, ist ja irgendwie auch verständlich.
Der schöne Abend geht dann noch mit dem Besuch im Restaurant von Fardin und Farhad zu Ende. Fardin hat uns am Nachmittag Çay vor unserem Camper serviert. Warum? Marc, my friend. I love you very, very much!
Ein letztes Mal werden wir in einem kleinen Dorf abends kontrolliert. Wir sind schon im Bett, da klopft es an unsere Tür. Die Polizei mit zwei Dolmetschern, die aber eigentlich auch kein Englisch können, sind hier. Sie fragen, wer alles im Bus ist. Marc zeigt unsere beiden Pässe und das Visa. Rebes Visafoto ist etwas unglücklich und der Polizist fragt Marc; Two men in the car? 😉 Natürlich nicht, aber ob so einer wüsten Frau hatte der Polizist dann wohl Mitleid mit Marc und meinte, wir können hier ohne Problem stehen, es sei sehr sicher.
Und dann fahren wir auch schon zurück nach Täbris zum El Goli Park. Marc darf noch auf einer Raststätte duschen, Frauen leider nicht. Warum, weiss auch niemand. Es waren Einzelduschen.
Wir machen uns auf den Weg zum Bazaar, denn wir wollen unsere letzten Souvenirs in Iran poschten. Getrocknete Erdbeeren und ein Duschschrubberband für den Rücken. Diese haben wir hier viel gesehen und da wir vermehrt im Bus duschen, ist es sicher praktisch. Und Rebe wird beim Schreiben des Blogs bewusst, dass sich doch einige Souvenirs angesammelt haben 😉
Soheil telefoniert uns und holt uns ab. Gemeinsam fahren wir zu einem Hügel mit einer schönen Aussicht auf die Stadt. Wieder erfahren wir spannende Insights zum Leben in Iran und weshalb Soheil noch nie Khaled Nabi gesehen hat. „Da oben in der Nähe von Masahad sind die ganz religiösen Fanatiker. Dort gehe ich nie hin, dort müsste ich mich den ganzen Tag nur aufregen“, meint er.
Er erklärt uns, dass die Mullahs Turbocharger genannt werden und die Sittenpolizei zu grossen Teilen aus Frauen besteht (dem FatiKommando), die in kleinen Busen durch die Städte düsen und Frauen ohne Kopftuch einsammeln. Und dass seit der Proteste im Land gewisse Regionen (vor allem in Städten) nicht mehr so zu kontrollieren seien wie vorher. Und dass er selbst trotzdem keine Hoffnung hat, dass er eine Veränderung noch erleben wird. Er spricht von sich von der verlorenen Generation. Alle Errungenschaften und Innovationen, auf die Iran stolz sein könne, seien entweder wirklich historisch oder von vor der Revolution herrührend. Seit über vierzig Jahren verrotte das Land kontinuierlich, da die Regierung keine Ahnung von Wirtschaft hätte und nur religiöse Fanatiker seien. Aber genau dieser Zustand sei für die Weltlage gar nicht so schlecht.
Abends um 11, ja wir sind trotz Soheils haarsträubenden Fahrkünsten noch am leben, suchen wir noch was Gesundes zum Essen. Wir werden ganz in der Nähe von Bidu fündig. Aber nicht bei Ali Baba 😉
Am nächsten Morgen kommen dann auch Reto und Yolanda mit ihrem Stinker im Park an und gemeinsam fahren wir in ein Einkaufszentrum in Täbris. Wir gehen ein letztes Mal gemeinsam essen, kaufen noch die wichtigsten Lebensmittel (Rosensirup und Safrantee) und verabschieden uns dann von Soheil. Dieser wird Ende Juni auf ein Schiff geflogen und arbeitet dann wieder für ein halbes Jahr auf dem Persischen Golf. Es ist ein emotionaler Abschied, den wie viele Begegnungen in Iran bleibt ungewiss, wann wir uns wiedersehen. Soheil muss zuerst noch etwas Chlütter verdienen und mit seinem Mustang GT von der Ukraine aus nach Europa zu cruisen 😉
Wir machen uns am nächsten Tag zeitig auf in Richtung Grenze. Die 3-stündige Fahrt verläuft auch mit dem Rüedu absolut ohne Probleme. Die Ausreise ist wesentlich einfacher und zügiger als die Einreise von Türkiye-Iran 5 Wochen zuvor. Nur die Beschreibungen der einzelnen Beamten in den jeweiligen Häusern ist etwas verwirrend. Aber Be jagt es dann irgendwann den Nuggi use und sie geht selbst rein um den Herren zu erklären, im anderen Häuschen 20m weiter gebe es keine Copy und deshalb sollen sie mal fürschi machen. Schliesslich wartet auf der anderen Seite unser Bierli, dass wir uns auch echt verdient haben. Mit der ist wohl nicht gut Federlesen, denkt der Beamte, nimmt sein Handy hervor, macht halt selbst ein Foti vom Carnet de Passage, drückt die Stempel drauf und will uns schnell wieder aus seinem Kabäuschen haben. Geht doch.
Als wir dann über der Brücke auf armenisches Staatsgebiet kommen, reissen Yolanda und ich als erstes die Hudlen vom Kopf. Dann werden kurze Hösli angezogen.
Iran verlassen wir klar mit gemischten Gefühlen. Kein Land und die Begegnungen mit dessen Bewohnern war bisher so emotional. Es ist das Land, welches den tiefsten Eindruck hinterlassen hat und wir werden nicht müde, Werbung für die wunderschönen Landschaften und die Herzlichkeit der Iranis zu machen. Und doch gab es in diesen 5 Wochen auch viele nervenaufreibenden Momente. Das Tanken, die Hitze, die langen Distanzen, die Verkehrsmanöver teilweise, die Hudlen immer um den Körper, die Polizeikontrollen…dieses diffuse Gefühl der Unsicherheit, obwohl wir uns ganz konkret nicht in einem Moment unsicher gefühlt haben!
Wir sind froh, haben wir uns entschieden, in den Iran zu reisen. Es ist das erste Land, bei dem wir wirklich am Reisen und unser Alltag auch Herausforderungen bereit hält. Mit all den anstrengenden Teilen, aber auch mit all den schönen Begegnungen, die Reisen wertvoll machen.
Dennoch, so denke ich, sind viele dieser schwierigen Momente auch der Tatsache geschuldet, dass wir mit unserem eigenen Fahrzeug und Schlafplatz unterwegs waren.
Auch wenn wir anfänglich kritisch waren, ob Marc diese Temperaturen lange aushält so waren wir doch erstaunt, wie rasch die Zeit verstrich und wir unser Visa wirklich praktisch aufgebraucht haben. Und ehrlich; die 36 Tage reichten bei weitem nicht um dieses Land in seiner ganzen Grösse zu bereisen und bewundern. Und deshalb, ihr ahnt es… wir werden wiederkommen. Eifach nid speter aus Mai!!!