21. Juli – 29. August 2022
Kulen Vakuf – Banja Luka – Jajce – Kupres – Konjic – Umoljani – Lukomir – Sarajevo – Tusila – Sarajevo – Mostar – Blagaj – Kravica Wasserfälle – Trebinje – Zupa
Für Juflis:
Wer nach Bosnien kommt, sieht vor allem eines: Viel Müll überall und sie fahren, als gäbe es kein Morgen. Und es gab mal Krieg, die Spuren sind noch deutlich sichtbar. Einige sehen dann nichts mehr weiter.
Wer sich etwas mehr Zeit nimmt, wird sich in Bosnien verlieben. Ganz einfach.
Darfs es Schibli meh si?
Wir freuen uns auf Bosnien und wir geben zu; es hat schon einen Stein im Brett, noch bevor wir über die Grenze fahren. Unsere erste Begegnung dann mit einem Neuenburger, der nun wieder in Bosnien lebt, stimmt uns zuversichtlich. Das soll uns übrigens noch viele Male passieren. Sobald du sagst, du seist Svizerski/a, kommen ihre Geschichten und Beziehungen zur Schweiz. Fast jeder war schon einmal dort oder kennt jemanden, der in der Schweiz lebt.
Die Grenzkontrolle verläuft problemlos, wir müssen nur beweisen, dass unsere Autoversicherung auch in Bosnien gilt. Wer schon einmal in Bosnien war, weiss; in Bosnien brauchst du eine Autoversicherung und 28 Schutzengel dazu!
Unser erster Stopp ist in Kulen Vakuf, das uns von Phippu und Ines empfohlen wurde. Der Ort liegt im Una Nationalpark am eiskalten Fluss Una. Der Empfang auf dem Camping, ganz den Vorurteilen entsprechend; Rakja. Nach dem 3 Rakja kehrt Rebe zu Marc zurück, dieser will nun endlich einparken und Hilfe kriegen….da wird Rebe schon wieder von jemandem angesprochen….“Alles alleine….“, denkt sich Marc und manövriert uns geschickt in unseren Spot.
Anfangs sind wir in Bosnien noch skeptisch, inwiefern wir auf Wanderschaft gehen werden. Bosnien besitzt auch heute noch schätzungsweise 200’000 Landminen aus dem Krieg.
Wir besichtigen mit dem Fahrrad Martin Brod und seine Wasserfälle. Interessant ist die Beschaffenheit der Strassen in Bosnien: Schotterpisten wechseln sich ab mit perfekt asphaltierten Strassenteilen, die dann wieder durch alte Strassenabschnitte mit Schlaglöchern abgelöst werden. Ob immer nur die prekärsten Strassenabschnitte erneuert werden oder nach welchem System hier gearbeitet wird, können wir in den 6 Wochen in Bosnien nicht herausfinden.
Die Hitze ist in Bosnien irgendwie einfacher zu ertragen; der kalte Fluss Una und die reduzierte Anzahl Menschen helfen dabei ungemein.
In Bosnien gibt es als Währung die KM (Konvertible Mark) die zum CHF 1: 2 (KM) steht. Am ersten Tag in Bosnien geniessen wir im Restaurant Fisch (zum Beispiel Regenbogenforelle) und Bosnisches Gulasch. Viel häufiger noch wird aber Cevapi serviert. Unglaublich gut und IMMER unglaublich zu viel!
Weiter machen wir uns auf den Weg nach Banja Luka, die Hauptstadt der Republik Serbska einer Entität in Bosnien-Herzegowina. Dort campieren wir im Garten von Djorde. Sehr einfach und direkt am Fluss, betreibt er den einzigen „Camping“ von Banja Luka. Der Camping mag einfach sein, die Herzlichkeit des Gastgebers aber unübertroffen. Das Waschen der Kleider hat dann er gleich für uns übernommen. Bosnien ist touristisch noch nicht so weit (zum Glück) wie Kroatien. Deshalb ist es, ausser in Sarajevo, Mostar oder bei grösseren Sehenswürdigkeiten schwierig Campingplätze zu finden. Dafür darf man sich vielerorts in Gärten von Wohnhäusern oder auf die Parkplätze von Restaurants stellen.
Bevor wir in die Gänge kommen, gönnen wir uns noch einen Schwumm im Fluss. Ach, wie schmerzt unser Schweizer-Recycling-Öko-Herz beim Anblick der vielen Plastiksäcke entlang des Flusses. Anfangs…nach 4 Monaten Balkan wird das Müllproblem langsam zum blinden Fleck für uns.
Dann gehts mit den Fahrrädern in die Stadt. Die Fahrräder lassen wir ab da übrigens für den Rest unserer Bosnienreise in der Garage – zu viel Blut haben wir geschwitzt während der kurzen Fahrt. Banja Luka ist nicht touristisch, hat eine authentische Markthalle, ein schmuckes Zentrum, eine serbisch-orthodoxe Kirche, eine schöne Moschee und eine Burgruine zu bieten. Scheins gibt es auch immer mal wieder tolle Konzerte in den alten Gemäuern – zur Zeit unseres Besuchs leider nicht.
Dafür, so behaupten wir, haben wir das wohl beste Bier in Bosnien-Herzegowina entdeckt. Die MasterCraftBrewery wird uns fast nicht mehr los. Der Besitzer hat viele Jahre in München gelebt und nach der Rückkehr in seine Heimat eine Brauerei eröffnet. Die Biere sind gut, hipsterig und wir machen gerne Werbung für diese innovative Idee.
Bevor wir am nächsten Tag weiterreisen, holen wir uns natürlich noch ein paar Flaschen in unseren Bus, um bei Gelegenheit mit neuen Bekannten anzustossen. Macht das connecten auch einfacher, wir zwei Schüchis, wir.
Die Fahrt von Banja Luka nach Jajce ist kurvenreich und wunderschön. Sie führt uns durch eine gewundene Schlucht entlang dem Fluss Vrbas bis zum eindrücklichen Pliva Wasserfall. Bei diesem findet jedes Jahr ein Springen statt, bei dem so gstörti Cheibe abegumpe. Auffallen tut uns, wie schon im Una Nationalpark, dass es viele arabische Touristen gibt. Uns wird später von Einheimischen gesagt, dass Bosnien ein beliebtes Reiseziel für arabische Touristen ist, da es die muslimische Tradition kennt, viele schöne Wasserfälle und eine abwechslungsreiche Natur zu bieten hat. Und nicht ganz so teuer wie die Schweiz ist, weshalb auch weniger wohlhabende Gäste gerne nach Bosnien ausweichen. Wir könnens verstehen, wir finden Bosnien auch hübscher als Interlaken 😉
Wir schlafen auf einem Campingplatz bei alten Mühlehäuschen, den Mlinčići. Marc wird hier, wohl inspiriert von den Wasserfallspringern, von einem schampar wackeligen Turm springen. Die SUVA hätte das wohl nicht als Unfall durchgehen lassen, so offensichtlich schlecht war die Konstruktion. Aber Marc, der Draufgänger, lässt sich nicht stoppen. Hier machen wir am nächsten Tag eine 4h-Wanderung um den See.
Der Müll ist das eine Thema, welches dich im Balkan immer wieder beschäftigen wird, die vielen Strassenhunde das andere. Das „Konzept“ Strassenhund /wilder Hund ist in der Schweiz unbekannt. Insofern wäre es auch undifferenziert, einfach davon auszugehen, dass diese Hunde alle leiden und in einem Dog Shelter besser aufgehoben sind. Diese sind nämlich oft in einem schlechten Zustand und völlig überfüllt. Somit vegetieren die Hunde in ihren Käfigen vor sich hin und hoffen auf, im besten Fall eine Adoption, aber wenigstens ab und zu mal einen Spaziergang draussen. Wilde Hunde dagegen jagen selbst, essen so allerlei schlechte Nahrung von Touristen und Anwohnern, müssen sich auch mal gegen andere Hunde wehren und laufen Gefahr, von Menschen verletzt zu werden. Oder aber sie finden ihr Revier, werden von Anwohnern geduldet und gepflegt und gefüttert. In unseren 5 Monaten im Balkan bisher konnten wir das innere Dilemma nicht auflösen und sehen auch keine unmittelbare Lösung. Aber gute Ansätze (Kastration, sichtbare Ohrmarke für Dorfbevölkerung, Impfungen, Aufklärungsarbeit an Schulen), wo es sich lohnt, diese zu unterstützen.
…. Was ich sagen wollte: Wir haben uns dann während unserer Wanderung mit einem Wanderstock (notfalls zur Verteidigung) ausgestattet, weil wir anfangs noch nicht wussten, wie die Hunde so drauf sind. Nach längerer Zeit können wir sagen, dass von den Hunden (praktisch) nie eine Gefahr ausgeht, sie halten uns Menschen immer auf Abstand und sind oft verängstigt, uns zu begegnen…was eben auch viel über den Umgang mit den Strassenhunden in diesen Ländern aussagt. Einen Stock nehmen wir mittlerweile nicht mehr als Verteidigung mit, höchstens als Gehilfe für den alten Mann 😉
Jajce verlassen wir und machen uns auf den Weg nach Kupres, einem Dorf auf einem Hochplateau im kroatischen Teil von Bosnien-Herzegowina. Rebe hat auf P4N einen schönen Stellplatz gesehen. Marc hat gemerkt, dass es dort auch Trails und einen Sessellift gibt, der Velos hochbefördert (was Rebe natürlich Bombe findet 😉
Auf dem Weg nach Kupres treffen wir auf einem Parkplatz eine Familie aus Marly. Sie sind mit ihren drei Kindern auch auf dem Weg in die Mongolei. ….Sie haben uns später sogar auf ihrer Website erwähnt, wir sind also sozusagen auch Influencer (ganz ohne Follower 😉
Auf dem Stellplatz in Kupres steht bereits ein VW Crafter aus dem Jura. Christina und Virgile, zwei tolle Zeitgenossen, waren mit ihren Bikes bereits auf den Trails. Auch Marc fährt die Trails am nächsten Tag zur Vorbereitung, Rebe geht dafür joggen. Was für eine Schlammschlacht. Zum Glück ist das Wetter am Sonntag, während dem Rennen, besser. Ach so…ja, Marc fährt in Kupres spontan sein erstes Endurorennen – mittlerweile in der Kategorie Master (Elite war einmal 😉 . Ungefähr 45 Fahrer (und zwei *innen) wagen sich an diesem Sonntag die 4 Trails runter. Viele Einheimische, einige Heimaturlauber und dann noch 5 Exoten (2 Deutsche und 3 Schweizer) sind mit von der Partie. Die Stimmung ist familiär, man unterstützt sich gegenseitig, die Zeitmessung aber hochprofessionell – eine freudige Angelegenheit. Miro und Dario haben hier ein wirklich tolles Rennen organisiert. Auch wenns knapp nicht fürs Podest reicht, Marc hält locker mit! Rebe bekommt auch ein Jöbli während dem Rennen und am Abend stossen wir mit unseren neuen Freunden und dem Bürgermeister an. Marc spendiert dem Stapi ein Bier und ist am Vorarbeiten, falls wir mal für eine Weile dort leben möchten 😉
Das Aufwachen am nächsten Tag ist etwas beschwerlich – für gewisse Ausschweifungen brauchen wir halt schon mehr Erholungszeit – zu alt ist man für so etwas aber nie!
Unsere neugewonnenen Freunde reisen alle ab. Wir beschliessen noch einen Tag zu bleiben um uns in Ruhe von Kupres zu verabschieden. Es hat etwas Magisches für uns. Obwohl uns in den folgenden Wochen viele Bosnier warnen – der Winter in Kupres mit dem starken Wind und dem vielen Schnee sei besonders hart – schwärmen wir für diesen Ort. Während den Autofahrten fantasieren wir oft, wie unser neues Leben in Kupres aussehen könnte…
Wir fahren weiter nach Orahovica auf einen etwas abgehalfterten Campingplatz. Dafür hat es einen schönen See, in dem wir baden gehen können. Bis zu diesem Abend haben wir immer das Leitungswasser getrunken und hatten keine Probleme. Doch ein Tscheche, den wir auf dem Camping treffen, beeinflusst uns sehr. Er hat für eine Wasserleitungsfirma gearbeitet und gesehen, wie die Leitungen aussehen…er würde deshalb nie Leitungswasser trinken. Obwohl ziemlich irrational (auch in der Schweiz werden diese Leitungen nicht anders aussehen) kämpfen wir noch in Griechenland damit, immer Wasser im Laden zu kaufen. Shame on us!
Marc hat sich noch mit Anis in Verbindung gesetzt, einem Arbeitskollegen aus seiner Orell-Zeit (vorheriger Betrieb). Anis ist auf Heimaturlaub und sie laden uns ein, mit ihm und seiner Verwandtschaft raften zu gehen. Morgens um 9 sind wir dafür in Konjic, der Heimatstadt von Anis, seinem Bruder Adnan und dessen Frau Maja. Nach Kaffee und Süssem kleiden wir uns mit Neopren und Helmen ein und los gehts. Nach einer kurzen, – aber wie immer in Bosnien- abenteuerlichen Fahrt wassern wir ein. Wir sind zu 8 in einem Boot; Adnan, sein Schwager, Anis und Isetta, Mircela und Haris, Marc und Rebe. Obwohl wir am Ende vom Guide hören, wir hätten das gut gemacht, muss er uns etliche Male ermahnen, dass es jetzt wirklich ernst gilt. Unterwegs treffen wir auf unzählige andere Raftingboote, die aber teilweise nur spärlich ausgerüstet sind. Später bei einer Stromschnelle werden wir noch Zeuge von einem gekenterten Boot. Der Guide hat sich eine üble Platzwunde am Kopf geholt und von den 20 anderen Raftingbooten hat genau einer ein 1. Hilfe-Set dabei. Mircela und Anis nehmen sich dem Verletzten an, dieser fährt aber plötzlich fluchtartig weiter, denn so viel Aufmerksamkeit wünscht sich die Schnapsdrossel gar nicht. In unserem Boot wird dann spekuliert, ob er nicht wollte, dass ein Krankenwagen kommt, weil das finanziell für ihn nicht drinläge. Wir Schweizer; bei uns ist so viel einfach selbstverständlich.
Unterwegs haben wir noch vom sagenumwobenen Wasser einer Quelle getrunken – falls es bei und jemals Zwillinge geben sollte; wir wissen warum 😉
Nach dem Raftingausflug (inkl. Bräteln am Flussufer) gehen wir heimwärts, dürfen noch duschen und besichtigen gemeinsam das schöne Städtchen Konjic. Die Pizza ist herrlich, beim Zahlen haben wir keine Chance und schlafen tun wir dann direkt neben den Wohnblöcken im Quartier. Am nächsten Morgen gehen wir noch auf einen Kaffee zu Adnan, auch um die Teller der Torten zurückzubringen, die er uns abends noch in den Camper gebracht hat. Komšiluk – ein Begriff der Nachbarschaft und Gastfreundschaft- ist in Bosnien nicht einfach eine leere Floskel.
Während unseren 6 Wochen Bosnien wird es uns immer wieder passieren, dass wir unerwartet eingeladen werden, beim Vorbeigehen werden uns Früchte und Gemüse aus dem Garten geschenkt, man zu einem Kafa Bosanska oder Raki eingeladen wird, auf dem Gipfel nach der Wanderung das Picknick geteilt wird….für uns ein unbekannter Teil Kultur. Teilen als Teil der Gastfreundschaft – wir können und wollen uns da etwas für zuhause abschauen 😉
Fun Fact: Maja, die Frau von Adnan, ist in Konjic aufgewachsen und meint, in den See vom Campingplatz in Orahovica gehe niemand mehr baden. Ein paar Kilometer oberhalb hat es eine Calvanisierungsfirma, die alle Abfallprodukte einfach in den Fluss lässt (und die dann im See abgelagert werden). Der Chef der Firma ist übrigens auch Umweltminister der Stadt – praktisch. Sollten unsere Zwillinge also Kiemen oder Schwimmflossen haben – wir wissen warum. Und nur ums gleich zu klären; Nein, wir sind nicht schwanger.
Wir machen uns auf den Weg nach Umoljani, einem kleinen Dorf in den bosnischen Bergen im Visocicagebirge. Wir dürfen auf dem Parkplatz einer Taverne übernachten, Duschen und Toiletten sind im Gasthaus zu benutzen. Der Besitzer war in der jugoslawischen Nationalmannschaft an der WM in Italien 1990, was er uns stolz erzählt.
Von Umoljani aus wandern wir am nächsten Tag 3h nach Lukomir. Das kleine, traditionelle und höchstgelegene (1455m) Bergdorf Bosniens ist ein Geheimtipp – na ja, eigentlich eher eine Touristenattraktion. Es wird nur noch im Sommer bewohnt, beherbergt Hirten und ihre Familien, die allerhand Selbsteingemachtes und Selbstgestricktes an den Mann/die Frau bringen. Wir kehren in einem selbstumgebauten Stall ein, wo noch mit einem traditionellen Backofen gekocht wird. Der Vater des Besitzers arbeitete mal in Genf, wollte aber nach dem Krieg schnell wieder heim. Zwar sei die Schweiz schön, aber wir würden viel zu viel arbeiten und nie das Leben geniessen. Er lebe lieber in Bosnien und habe ein bisschen weniger Geld, meint er…wir finden es spannend, wie die Schweiz in den Augen von anderen Menschen wahrgenommen wird.
So oft haben wir auf unserer Reise auch gehört; „Ah, Svizerska/i…Ihr habt viel Geld! Ich will auch in die Schweiz kommen“…da tut es gut, Menschen zu erleben, die beide Seiten kennen. Und am meisten freut uns, wenn Menschen stolz auf ihr Land sind. So meinte ein Kioskverkäufer in Banja Luka zu uns; „Ah ihr seid aus der Schweiz…ihr habt schöne Berge….zwar nicht ganz so schön wie unsere hier in Bosnien, aber auch sehr schöne 😉 “
Zwei Tage später machen wir uns auf nach Sarajevo. Wir konnten einen Platz auf dem tollen Camping von Nadja ergattern. Die Aussicht ist very instagramable, weshalb sogar Touristen kommen, nur um kurz ein Foto von der Aussicht zu machen. Wir müssen mal wieder waschen. So ein Leben im Büssli hat schon seine Vorteile; ganz wenig putzen und noch weniger waschen…also, wenn man so viele Kleider wie Rebe eingepackt hat, würde wahrscheinlich einmal im Jahr reichen…aber Marc hat eben nur Unterhosen für 3 Wochen eingepackt, also spätestens nach 6 Wochen müssen wir wirklich waschen 😉
Gleich am nächsten Tag entscheiden wir uns, einen Wandertag zu machen. Das Wetter soll in den nächsten Tagen wechselhaft werden, so dass eine Stadtbesichtigung dann eher drinliegt. Wir hatten Primoz von einer Mountain Lodge auf dem Hausberg von Sarajevo angefragt, ob er uns als Volunteers gebrauchen könne. Leider war er bereits voll belegt und brauchte keine Hilfe mehr. Wir haben entschieden, dass wir trotzdem zur Berghütte hochwandern wollen. Nach einem kleinen Umweg, wir haben uns ganz kurz verlaufen, kommen wir zur Berghütte und geniessen eine feine Suppe und Tee. Wer sich in den Bergen verläuft, sollte das besser nicht in Bosnien tun. Durch die Minensituation kann in gewissen Regionen schon ein leichtes Abweichen des Wanderweges gefährlich werden. Wir sind aus Versehen einem Tierpfad gefolgt, weshalb wir nur leicht verängstigt waren. Aber seit daher hat es Marc noch schwerer, den Navigator zu spielen. Rebes „Bisch würk sicher?“ hat sich seither exponentiell gesteigert. Interessant ist im Bezug zu den Minen auch, wie die Schweiz in diesem Bereich mit Bosnien zusammenarbeitet.
Zurück zur Berghütte; wir wollen gerade aufbrechen, da hören wir:„Ghöre ig da Bärndütsch?“. Caroline, eine Schweizerin, die rund 6 Jahre in Bosnien gelebt und gearbeitet hat, freut sich über Schweizer Touristen in ihrer Wahlheimat. Wir kommen ins Gespräch und lernen Primoz, ihren guten Freund kennen. Er lädt uns ein, zu bleiben, wenn wir wollen. Wir lehnen ab, denn Caroline und Muamerer (ihr Partner) haben uns einen Vorschlag gemacht, in welcher Berghütte noch Hilfe benötigt wird. Wir wandern mit Muamer und Caroline noch zum Gipfel Trebevic, erhalten vom Bergsteiger Muamer unglaublich viele interessante Informationen rund um die bosnische Bergwelt und Mountaineerszene. Wir erfahren, dass seine Grossmutter eine gute Bergsteigerin war, gar besser als sein Grossvater und es eine lebendige Bergsteigerszene in Bosnien gab, welche aber international kaum Beachtung fand und findet. Ganz allgemein ist die Bergsteiger und Wanderszene in Bosnien noch immer sehr klein. Berge werden aufgrund des beschwerlichen Lebens früher noch heute als bedrohlich und gefährlich wahrgenommen. Man sagte uns oft: Ein typischer Bosnien geht nicht wandern, er fährt mit dem Auto in die Berge und trinkt dann Kafa bosanska und Raki im Gasthaus.
Sarajevo ist eine Stadt mit viel Geschichte, Gegensätzen und Verbindungen zur Schweiz. Letzteres erkennt man an den Bernmobilbussen, die durch die Strassen fahren. An den Ausstellungsretrovelos, die eine Schweizer Vignette aufkleben haben, an den vielen kurzen Begegnungen, in denen Vorbeigehende zwischen Schweizerdeutsch und Bosnisch switchen. Wir sind im Sommer in Sarajevo, viele sind auf Heimaturlaub.
Die Museen, welche den Krieg beleuchten, sind harte Kost und in Anbetracht der noch schwelgenden Konflikte nicht gerade friedensfördernd. Vor allem ausserhalb des Stadtzentrums, wo noch viele Häuser nicht renoviert wurden, findet man ganze Hausfassaden voll mit Einschusslöchern.
Besonders gefallen tut uns der muslimische Teil der Altstadt, der wie ein arabischer Markt aufgebaut ist. Moscheen stehen neben orthodoxen Kirchen, vollverhüllte Frauen gehen neben Frauen in Hotpants einher….ein Melting Point of Cultures. Der Vibe von Sarajevo ist in vielerlei Hinsicht berauschend und am Abend fallen wir volltrunken und müde ins Bett. Um mit dem Taxi zum Camping zu kommen, mussten wir übrigens einige Taxifahrer abklappern. Unser Camping liegt im Teil „Republik Serbska“, und Familienangehörige von vielen Taxifahrern wurden während der fast 4-jährigen Belagerung Sarajevos vom Hügel aus erschossen, weshalb es für diese noch heute eine emotionale Unmöglichkeit ist, dort hochzufahren.
Der Tipp von Caroline und Muamer sollte übrigens klappen: An einem Mittwoch brechen wir auf in Richtung Tušila. Die Berghütte Dom Vrela wird von Thierry gemanagt. Er ist Besitzer der nachhaltigen Reiseagentur Green Visions und hat uns eingeladen, hochzukommen um zu schauen, ob es uns gefallen könnte. Und wie! Die Präsenzzeiten sind zwar lang (morgens von 7.00 – 22.00), aber das Arbeitsklima ist unkompliziert und entspannt. Wenn wenig los ist, können wir wandern oder biken gehen und haben Zeit für unsere eigenen Projekte. Wir lernen in Dom Vrela wunderbare Menschen kennen, die direkt ins Herz gehen. Wir lernen bosnische Traditionsspeisen (z.Bsp. Ustipci und Klepe) herstellen, bedienen Gäste, reinigen Zimmer, waschen und putzen, hacken Holz, flicken Fenster, servicen die Velos, streichen Wände, montieren Seifenspender, entrümpeln, räumen auf undundund…es wurde uns nie langweilig. Und es reichte immer für einen Schwatz mit Gästen, mit Thierry, Saudin und Naza. Saudin, ein 22-jähriger Biologiestudent, der sich in die Natur in den Bergen verliebt hat und unendlich lieb, respektvoll und lustig ist. Naza, eine 67-jährige Frau, die uns schwer beeindruckte. Bereits vor der Anstellung in dieser Berghütte arbeitete sie jahrzehntelang in eine abgelegenen Berghütte (wir könnten euch Geschichten mit Schrotflinten erzählen, dass es nur so kracht). Sie hat ihren Mann verlassen und hat ihre Kinder alleine durchgebracht. Sie raucht wie ein alter Matrose, hat eine Stimme wie Schleifpapier und ihr Lachen haut dich um. Wir verstanden uns auch ohne Worte, sie akzeptierte uns in ihrem Revier und wir erlebten unvergessliche Momente zusammen. Und dann war da auch noch Max. Ein ca. 4 Monate alter Welpe, wahnsinnig verspielt und liebenswert. Wenn wir nicht gesehen hätten, wie glücklich er dort ist, wir hätten ihn mitgenommen.
Die Berghütte liegt übrigens auch an der bekannten Via Dinarica , einem Fernwanderweg von Slowenien bis Mazedonien. Wie man sicher schon gemerkt hat, wir haben uns in Bosnien verliebt. Es liegt an den Menschen, denen wir begegneten und an der Natur, die wir bewanderten. Wir bitten euch daran zu denken, wenn ihr eure nächsten Wanderferien plant. Bosnien wartet darauf, auch euch zu verzaubern.
Schweren Herzens verabschiedeten wir uns nach 2 Wochen und brechen auf zu neuen Abenteuern. Wir haben in dieser Zeit so viele Wandervorschläge von Gästen und unseren neuen Freunden bekommen, wir werden ganz sicher nach Bosnien zurückkehren um alle diese Wanderungen zu erleben. Ganz wichtig war für uns aber die Wanderung mit Muamer zum Treskavica. Dieser Berg kennt Muki wie seine Westentasche, betrieben seine Grosseltern doch eine Berghütte dort. Wir wandern die 5 h hoch zum Gipfel und können uns an Saudins gigantischem Sandwich stärken. Auch bei diesem Berg gibt es auf der Südseite noch Minen, und Muki geht nur im Winter in diesen Bereich des Berges für Skitouren.
Wir bringen Muki noch zurück nach Sarajevo, gehen mit ihm im Olympischen Schwimmbad baden und saunieren. Muki ist dort Schwimmlehrer für Kinder mit Behinderungen. Geschlafen haben wir in der Nähe der Moschee auf dem Parkplatz hinter dem Schwimmbad.
Nach einem kurzen Aufwachen beim ersten Morgengebet nehmen wir noch einen Nuk. Wir freuen uns wie zwei Himmugüegeli, da es nach Mostar geht. Dort treffen wir uns mit Peter und Monika. Sie sind auch im Urlaub und wir haben uns für 2 Tage Mostar verabredet. Das wird nun schon die 3 Begegnung mit den beiden auf unserer Reise. Wir finden ein Plätzchen auf dem Camping und fahren mit dem Taxi in die Stadt. So schön, die beiden geniessen feines Essen wie wir. Mostar lernen wir also zuerst kulinarisch kennen. Danach schlendern wir über die Brücke „Stari Most“ von Mostar, einem Unesco Weltkulturerbe, gönnen uns ein Gläci, geniessen ein Konzert und kehren dann heimwärts.
Am nächsten Tag findet auch das RedBull Cliffdiving auf der Brücke statt. Wow, was für eine Show. Mehr bleibt da nicht zu sagen. Ausser dass Marc aus diesem Grund selbst nicht von der Brücke springen konnte. Dass muss er halt dann nachholen, wenn er 50 ist und seine Midlifecrisis durchlebt. Und nur damit Marc beruhigt ist: Wir machen keine Werbung für Red Bull, aber für den Event in Mostar.
Auch heute verwöhnt uns die bosnische Küche und wir geniessen es sehr, mit den beiden zu plaudern, lachen und trinken. Wir hoffen sehr auf ein Wiedersehen…vielleicht in der Türkei?
Langsam aber sicher neigt sich die Zeit in Bosnien dem Ende zu. Wir machen noch einen Ausflug zum Blagaj Kloster und den Kravice Wasserfällen, beides bekannte Touristenattraktionen von Bosnien. Doch besonders schön ist dann unser letzter Abend in Bosnien. Wir haben einen schönen Schlafplatz bei kleinen Wasserfällen gefunden, die vor allem von Einheimischen besucht werden. Am Morgen nehmen wir einen letzten Schwumm im Wasser. Marc beichtet mir 3 Monate später beim Verfassen dieses Textes, dass wir mit einer Wasserschlange gebadet haben. Er hat nichts gesagt, ich hätte sonst ein Kolläpsli gemacht und wäre das letzte Mal auf unserer Reise im Wasser gewesen. Weiser Mann!
Ein letztes Mal Ustipci geniessen bleibt uns leider verwehrt, die Restaurants am Wasser haben morgens noch zu.
Schweren Herzens machen wir uns auf den Weg über die Grenze nach Viganj in Kroatien, wo wir versuchen wollen, endlich zu kiten. Unterwegs verpülvern wir noch unsere letzten KM für Börek und Pita beim Beck. Danach gehts ab über die Grenze.
…. Wer etwas über Viganj erfahren will, muss halt wieder zurück zum Kroatienbericht….
29. Juli – 9. September 2022
Aber auch mit Bosnien und Herzegowina sind wir nicht durch. Es hat uns so gefallen und auch in den Tagen in Viganj trauern wir Bosnien nach. Wir merken, wir sind noch nicht bereit, Abschied zu nehmen. So entschliessen wir uns, nochmals nach Bosnien zurückzukehren. Wir wollen noch die Weinregion um Trebinje entdecken. Das tun wir dann auch an einem Dienstag: Wir kehren in einem Weingut ein und verköstigen so manchen guten Tropfen nachmittags um 3 Uhr. So schön und ohne Regeln kann das Leben sein. Wir parken in der Stadt beim Fluss und machen uns zu Fuss auf den Weg in ein Gourmetresti. Das Weingut Vukoje besitzt in der Stadt ein Restaurant und den Weinkeller. Wir lassen uns kulinarisch verwöhnen und geniessen weitere Tropfen der bosnischen Trauben. Selig und beschwi…ngt schlendern wir zum Camper zurück…es erübrigt sich zu sagen, dass wir beide herrlich schlafen in dieser Nacht.
Am nächsten Tag kann sich Rebe doch noch richtig von Bosnien verabschieden….also mit Ustipci.
Weil es sich noch immer nicht so anfühlt, als wäre es Zeit für ein anderes Land, parken wir noch für 2 Tage auf einem Camping. Wir schreiben endlich die Reiseberichte bis Bosnien, basteln an Adventskalendern und verbessern am Bus Details. Einfach ein bisschen herumgvätterlen. Es musste wohl so sein. Wir sprechen mit einem deutschen Pärchen, erhalten ihre montenegrinischen SIM-Cards und einen Tipp für unseren ersten Stopp in Montenegro….nun sind wir wohl bereit um uns von diesem wunderbaren Flecken Welt zu verabschieden. Doch in unseren Herzen versprechen wir uns: Bosnien, wir kommen wieder! Aber sowas von!!