Albanien

20.9.22 – 4.10.22 (leider nur kurze 2 Wochen)

Für Juflis:

Ich sage es in den Worten des albanischen Grenzbeamten auf Englisch: You were the first time in Albania? Did you like it? (Yes, a lot! Anm. der Red.) I’m happy. Albania is much more than you see in movies. We are more than the Albanian Mafia. When you like the mountains, next time visit also the Northeast. We have much to offer. Thank you so much for visiting and hope to see you again!

Darf es Schibli meh si?

Also von vorn: Direkt an der Grenze wird uns für wenig Geld eine SIM-Karte angeboten und noch gleich eingerichtet. Netter Service, so sollte es immer sein! Gleichzeitig erleben wir auch das erste Mal bettelnde Kinder an den Fensterscheiben. Es zerreisst einem fast das Herz und bringt uns ein weiteres Mal zum Nachdenken über die Situation der Roma in Europa. Eine ethnische Bevölkerungsgruppe die während des 2. WK genauso Opfer der arischen Rassenlehre wurde wie die Juden. Die keine Lobby haben und in den Geschichtsbüchern mit etwas Glück auf 2 Zeilen erwähnt werden. Die auch fast hundert Jahre später starke Ablehnung durch die restliche Bevölkerung ihrer Heimatländer erfahren. Die wohl in fast allen Ländern als gescheiterte Integrationsprojekte angeschaut werden und in starker Armut leben. Sie gehören immer zur ärmsten Bevölkerungsgruppe mit der schlechtesten Gesundheitsversorgung, weisen die höchste Analphabetenrate und höchste Arbeitslosigkeit auf.

Von meiner Warte aus stehe ich bettelnden Kindern kritisch gegenüber. Diese werden von ihren Familien instrumentalisiert, gehen in dieser Zeit nicht zur Schule. Und Bildung ist, wenn auch nicht immer, doch zumindest öfter eine Chance für bessere Lebensbedingungen. Aber es gibt auch hier eine andere Seite. Ich überlasse euch dem Dilemma, mir ist es auch in Griechenland, Bulgarien und Nordmazedonien nicht gelungen, meine ambivalente Haltung zu klären. Muss ich ja vielleicht auch nicht, aber zumindest darüber nachdenken und sichtbar machen . Nicht einfach ignorieren. Denn dieses Elend ist real mitten unter uns.

Nun also, wir sind in Albanien. Nach einem Abstecher nach Shkodra um Geld abzuheben, ist Marc groggy. Der Verkehr funktioniert hier anders. Wenn dir sogar die Nonne im Kreisel den Vortritt raubt, merkst du das. Wenn es keinen Parkplatz mehr gibt, wird die Fahrspur zu einem gemacht. Alle anderen Autos schlängeln sich um die stehenden Autos, hupen tut niemand, aber gefühlt wird dir ständig der Vortritt stibitzt. Auto fährt man hier, so merken wir bald, mit Augenkontakt anstelle von Verkehrsschildern. Wenn man das erstmal weiss, funktioniert das prächtig.

Unterwegs zu unserem ersten Schlafplatz bestaunen wir noch eine Staumauer, die zusätzlich mit Solarpanels ausgestattet ist. Leider erlaubt uns die Security des Energiekonzerns nicht, ein Foto von der Mauer aus zu schiessen. Zu gefährlich, keine zivilen Personen erlaubt. Auch der deutsche Ingenieur, der vorher bei den Kraftwerken Oberhasli AG gearbeitet hat, versucht uns reinzubringen – no Chance. Dann halt weiter. Ledi’s Place wird unser erster Schlafplatz in Albanien. Ein Resti, welches bei Konsumation auch Stellplätze anbietet. Wir haben den Platz von David und Anke empfohlen bekommen. Das Wichtigste: Junge Kaninchen, 3 Welpen und unzählige Rebhühner, die im Restaurant auf den Tischen herumflattern.

Es wimmelt von Touristen, die alle vom Koman-Stausee kommen oder rüberwollen. Marc und ich setzen uns ein erstes Mal mit der gewählten Route auseinander. Ah, es gibt am Ende dieser Strasse nur die Fähre über den Koman-Stausee. Ah, dieser hat momentan Tiefstand, es ist also eine Lotterie, ob überhaupt eine Fähre rumtuckern kann. Und ah, diese Fähren sind schnell vollbelegt, es gibt 3 Anbieter und es herrscht ein Chaos…ok. Rebes Eifer ist gepackt: Es wird gegoogelt und gemailt, entschieden und gebucht. Dann die Absage. Nach einer Ermutigung eines Nachbarn, probieren wir es wieder und wieder. Und siehe da; plötzlich nach 3 Absagen bekommen wir doch eine Bestätigung der ursprünglichen Anmeldung. Wir fahren also nach Komani, wobei fahren fast übertrieben ist; wegen des Zustands der Strasse benötigen wir für die 17km eine Stunde. ;-(

Der Campingplatz in Komani, eine Sache für sich. Wir treffen ein deutsches Pärchen, starten um 14 Uhr mit dem ersten Bier, haben um 16 Uhr einen Schwips und fahren beim Abendessen gleich weiter mit Alkohol. Der Campingbesitzer brennt unter der Strassenbrücke in der Taverne frischen Raki, und natürlich dürfen wir probieren…

Am nächsten Tag sind wir etwas verkatert, aber wir müssen ja nur bis zur Staumauer hochfahren und dann einschiffen. Wieder so ein kleines Abenteuer. Die Fahrt über den Stausee und die Schlucht finden wir wunderschön. Und Wind zum kiten hätte es in Hülle und Fülle (Landeplätze eher weniger). Das Abfahren von der Fähre gestaltet sich dann wieder als Herausforderung. Aber hey, unsere Fähre und der Anlegeplatz war im Gegensatz zu den zwei anderen Anbietern Luxus. Unsere beiden Schweizer Freunde, Laurent und Simona, hatten drei Tage später weniger Glück und sind gar nicht erst von Bord, sondern wieder retour getuckerlet. Dominik mit seinem Jimny hat das natürlich leicht geschafft, so ein Offroader hat halt schon seine Vorteile.

provisorische Anlegestelle der Koman Fähre

Nun also, wir machen uns auf den Weg nach Valbona. Der Ort ist in der Wanderszene bekannt. Von Theth bis Valbona verläuft eine wunderbare Tageswanderung, Valbona ist auch auf der 10 Tages Wanderung im 3 Ländereck (Montenegro, Kosovo und Albanien) ein Stopp. Dementsprechend gibt es einige Gasthäuser und Restaurants. Die erste Nacht verbringen wir noch im Hinterhof einer Beiz. Nach dem Wasserauffüllen suchen wir uns aber im leeren Flussbett ein lausches Plätzchen. Nach einer ersten Wanderung zum Einstimmen kehren wir zufrieden zu unserem Bus zurück. Und freuen uns über die Ankunft von Dominik und dem Jimny. Wir gehen ein weiteres Mal ins Restaurant essen. Dies ist in Albanien fast billiger, als selbst zu kochen. Bis auf das Gemüse werden in Albanien viele Produkte in den Geschäften importiert und sind dementsprechend teuer. Und die albanische Küche ist auch einfach schampar gut…

An was man sich wieder gewöhnen muss: Rauchen im Restaurant in ländlichen Orten gehört einfach dazu. 

Tags darauf wandern wir mit Dominik bis zum Valbona Pass … und machen kurz die paar Fötelis, denn es chutet feiechli. Eine atemberaubende Aussicht über die beiden Täler bietet sich uns an. Auch erstaunt uns, mit was für lützen Schuhe Touristen den Berg hochwanden. Der Abstieg geht dann etwas difiger, Marcs „kleine Berggeiss“ gibt den Takt an 😉

Zum Znacht gönnen wir uns unsere letzte mitgebrachte Rösti mit Spiegelei und Speck. Mmmh, feinifeini…wir wurden kulinarisch im Balkan bisher unglaublich verwöhnt…und doch, ab und zu ein bisschen Heimatfeeling ist halt schon auch schön.

Rebe ist gerade etwas im Gourmetwahn und möchte schon wieder främseln gehen. Sie hat da schon einen tollen Ort gefunden, der aber wohl nicht ganz einfach zu erreichen ist. Gute Idee, findet Dominik, selbst auch ein Gourmet, er ist dabei. Zu dritt machen wir uns auf den Weg und irgendwann wird es für unseren Bidu zu offroadig. Wir satteln alle in den Jimny um und legen die letzen 5km bis zum Chestnut Hill zurück. Der Besitzer des Restaurants muss die Strasse selber instand halten…wenn er mal wieder den Bagger dazu mieten kann. Oben angekommen sind wir die einzigen Gäste. Kein Problem, der Koch bereitet für uns Nachmittagshäppchen vor. Von allem ein bisschen. Kürbisküchlein, Shopskasalat, Steak, eingemachte Köstlichkeiten, Maisbrot undundund. Glücklich und um einen kulturellen Einblick reicher/runder (er handelt sich bei allem um traditionelle albanische Gerichte) kehren wir zu Bidu zurück. Hier trennen sich nun unsere Wege. Dominik fährt in den Kosovo, wir langsam in Richtung Tirana. Aber wir werden uns wiedersehen, wir sind sicher.

Die Strasse ist kurvenreich und die Schäden des letzten Unwetters vor einer Woche sind noch deutlich zu sehen. Wir haben bereits festgestellt: Google Maps bildet die Strassen Albaniens nicht realistisch wider. In Wirklichkeit gibt es wesentlich mehr Kurven als auf den Karten ersichtlich sind. 

Und es erwischt uns, dass wir ein erstes Mal im Dunkeln Autofahren müssen. Was wir immer zu vermeiden versuchten und auch in Zukunft nicht mehr machen. Die Schlaglöcher sind oft zu spät erkennbar und so manches halbblindes Auto kommt uns entgegen…

Hinzu kommt, dass wir im Dunkeln einen Schlafplatz suchen müssen. In einem kleinen Städtchen finden wir einen Platz, der zwar etwas mudrig aussieht. Wir wissen nicht, ob uns in der Nacht eine Überraschung erwartet, in welches Quartier wir da gefahren sind. Keine Überraschung, alles paletti sehen wir am nächsten Tag, Rebe hatte aber trotzdem eine Nacht mit leichtem Schlaf. Wir stehen genau gegenüber eines Spitals auf einem Parkplatz eines Hochhauses. Mittendrin, sozusagen. Aber am Abend davor war das gar nicht erkennbar, es gab keine Strassenbeleuchtung und das Spital wirkte auch nicht wie ein Spital. Das nehmen wir uns für die Zukunft auch vor: Schlafplätze werden bei Tageslicht ausgewählt.

Weiter gehts mit grosser Vorfreude in Richtung Tirana. Wir treffen nämlich Linda. Sie macht Kletterferien in Albanien und Griechenland und kommt mit ihrem Kletterkumpan Mätthu auch nach Tirana. Wir vereinbaren uns in der Stadt beim BunkART zu treffen.

Die wohl schnellste Rallyefahrt unseres Lebens legen wir im Feierabendverkehr von Tirana im Taxi zurück. Kein Scheiss; verkehrt in Einbahnstrassen, rechts Überholen, bei Rot über die Ampel, kurz mit einem Rad übers Trottoir…das ganze Programm. Nach 30 Minuten (das Navi hat im aktuellen Verkehr 47 Minuten angegeben) sind wir vor dem Bunker. Und Marc und ich im Adrenalinflash…

Endlich sehen wir uns wieder: Rebe freut sich so sehr, es wird geplaudertundgeplaudertundgeplaudert. Und auch noch fein gegessen…und geplaudertundgeplaudertund…

Marc meint nach dem 3.Tag, dass er am Nachmittag einfach nichts mehr mitzuteilen hat, denn seine Wörter für den Tag wären somit am Mittag schon verbraucht und die Aufnahmekapazität erreicht…;-))

Rebe freut sich umso mehr, mal wieder über Gott und die Welt zu plaudern. Wir besuchen gemeinsam noch Berat, die Stadt der 1000 Fenster. Nach einer Nacht auf einem Parkplatz entscheiden wir uns noch in der Nähe wandern zu gehen. Als wir unseren Camper parken wollen, kommt ein Bauer von der Feldarbeit und meint: „Parking here, no problem“ und reicht uns eine Zigarette. Wir wissen, Teilen ist ein wichtiger Teil der Gastfreundschaft und so holen wir eine Cola aus dem Kühlschrank, welche er auch gerne annimmt. Gerade als wir von der Strasse in die Hügel aufbrechen wollen, begegnen wir noch dem Ranger auf dem Töff. Er will uns sagen, dass wir von hier nicht zum Gipfel sollen, zu gefährlich bei diesen Wetterprognosen. Und ein Föteli von uns möchte er auch noch machen. Wir folgen irgendeinem Geissenpfad und geniessen die Einsamkeit. Wie versprochen wandern wir auch nicht auf den Gipfel. Zurück stöpeln wir dann, die Jungs gehen mit und holen unsere Autos. Natürlich werden sie nicht nur mitgenommen, nein, ein Bier gibts natürlich auch, Full Service. 

Nach einem letzten gemeinsamen Abendessen, Sonnenuntergang und gemütlichem Abend trennen sich unsere Wege. Linda und Mätthu sind etwas schneller unterwegs und wollen in Richtung Griechenland zum Klettern aufbrechen. 

Wir gehen erstmal Richtung Küste weiter. Es hat für die kommenden Tage Regen angesagt und so denken wir uns, dass wir auf den Küstenstrassen besser aufgehoben sind als in den Bergen. Das Wetter wird besser sein als angekündigt und wir finden einen schönen Strandabschnitt mit freilaufenden Hunden, Katzen, Esel und Pferden. Anfangs sind es 3 Camper, nach drei Nächten dann 11. Wir entspannen uns hier, halten uns still, geniessen das Meer, gehen joggen, lesen und sammeln Ghüder ein. Marc sammelt, genau wie daheim in der Schweiz auch, immer mal wieder den Ghüder in der Umgebung und bei Wanderungen ein. Seine Nichte Camille macht es mittlerweile auch so, gäu Melanie (mängisch scho falsch chli ds ehrgeizig ;-).

In der Nacht am Strand werden wir fast seekrank, weil es deräwä am Bus ruckelt vom Wind. Aber nach einer nächtlichen Google-Recherche von Rebe sind wir beruhigt, es braucht schon viel, bis ein stehender Bus kippen kann…sehr viel mehr 😉

Das Wetter war übrigens immer besser als angekündigt…das zieht sich so durch unsere ganze Reise bisher. Finden wir ok.

Weiter gehts in Richtung Blue Eye (Mele: Definitiv WOW-Factor) und dann nach Gjirokastra. Die Stadt gehört zum Unesco Kulturerbe. Wer in Albanien ist, sollte dieses mittlerweile halt sehr touristische Städtchen wirklich nicht verpassen. Wunderschön wie sich die alten Häuser entlang der Gassen in den Hügeln aufreihen. Dominik ist wieder mit von der Partie, wir freuen uns sehr. Wir gehen fein essen und schlendern dann zu unserem Camping. 

Am nächsten Tag fahren Marc und ich nach Përmet, zu den warmen Quellen. Entlang eines Flussbeets gibt es ungefähr 6 Bassins , die gegen 30°C sind und herrlich zum Sonnenbaden und relaxen einladen. Rebe geniessts und dräckelet no chli ume, Marc fotografiert lieber als auch mitzumachen.

Von den heissen Quellen gehts über eine frisch asphaltierte aber nochmals sehr kurvenreiche Strasse bis zum Grenzübergang nach Griechenland. An dieser Grenze treffen wir auf den Eingangs erwähnten Zöllner und sagen Albanien Adé…und klaro, wir kommen wieder!